Meine Laufbahn als Langstreckenläufer endete an meinen 40. Geburtstag. Ich trainierte damals eisern für den Istanbulmarathon. Und dann bekam ich gleich viermal das Buch “Der Marathonkoch” zum Geburtstag geschenkt.
In diesem Kochbuch schreibt der grinsende und durchtrainierte Michel Roux jr. nicht über die Freude am Kochen, sondern ausdauerhaft über seine Lust am Laufen. Kochen und Marathon um Himmelswillen! Ich stellte die Laufschuhe in den Keller, band mir die Kochschürze um und fühlte mich schon viel wohler.
Was ist mit den Köchen los? Immer mehr Spitzengastronome rennen lieber im Wald rum, als in der Sauteuse die Sauce zu rühren. Und so sehen sie dann auch aus. Wo früher fröhliche und vertrauenserweckende Gesellen mit Kompetenzranzen werkelten, stehen heute verbissene Klappergestelle am Herd. Und oft kommt einem beim Kauen der zähen Entenbrust der Verdacht, dass nicht die Köche Marathon rennen, sondern die Marathonläufer kochen. Darf ein Koch überhaupt dünn sein? “Das hat nur mit der guten Fettverbrennung zu tun.”, behauptet unsere Lehrtochter Pierina. Sie isst wie ein Scheunendrescher, sieht aber aus wie ein Essstäbchen. Ich glaube aber eher, dass es mit dem grasierenden Hang zur Selbstdarstellung zu tun hat. Es gibt heute mehr Fernsehköche als Guide-Michelin-Sterne. Und vor der Kamera müssen die in der weissen Bluse auch visuell etwas hergeben. Ob es dann aus dem Backofen wie Hund riecht merkt ja keiner. Und in den Kochbücher findet man mehr Bilder von den Köchen als von den Rezepten. Das Auge isst mit. Schöner Schein. Schöner Mist!
Wenn ich zum Zahnarzt gehe und der Doktor grinst mich mit einem karieszerfressenem Gebiss an oder die Coiffeuse hat eine Frisur wie Sauerkraut, stehe ich auf und gehe. Also zuerst immer einen Blick in die Küche werfen und steht da ein Langlauf- oder Diätopfer rum: Schnell davonrennen!
Text: Armin Meienberg