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Es ist wieder Zeit um einzu­packen. Die Zeit der lusti­gen Pack­pa­piere und Bän­de­liknüpftech­niken: Es ist wieder die schreck­liche Zeit des Geschenkemachens.

Ein Geschenk ist etwas in einer fes­tlichen Ver­pack­ung. Meis­tens ist es dann aber auch kein Geschenk son­dern eher ein Ver­steck. Und dann eine aus­gepackte Ent­täuschung. Alles was schön eingepackt ist, sollte uns eigentlich mis­strauisch machen. Verkaufs­fördernde Buchum­schläge mit Autoren­fo­tos. In trans­par­entem Cel­lo­phan eingewick­elte Blu­men­büschel. Pullover, die schlank machen. Alles Schrott, Fas­sade, Blöff, und Beschiss. Fürs Essen gilt das Mis­strauen gegenüber jeglicher Form von kuli­nar­ischem Tarnzeug natür­lich erst recht. Klar, manch­mal macht das Ver­ber­gen von Inhal­ten dur­chaus Sinn. Ravi­o­lifül­lun­gen sind teigum­man­telt visuell viel erträglicher und werden so weniger mit Hun­de­fut­ter ver­wech­selt. Alles muss schön ausse­hen. Das Auge isst ja schliesslich mit, behauptet der Volksmund. Aber das Auge Gottes darf nicht alles sehen und darum heis­sen in Süd­deutsch­land die Maultaschen Her­rgotts­b­scheis­serle“, weil die Fleis­chfül­lung in Teig ver­packt fas­ten­zeit­tauglich ist. 

Ist eine Ver­pack­ung etwas Unehrliches? 

So ein­fach könne man das natür­lich nicht sagen, sagt der Philosoph Roland Ney­er­lin und sägt mis­strauisch mit dem Messer in den mit Blät­terteig einge­back­e­nen Fleis­chkäse Welling­ton“. Aber warum muss man den Fleis­chkäse über­haupt im Teig ver­stecken? Und das Zwiebelkon­fit? Brauchts es das wirk­lich? Ist das eine Inno­va­tion? Muss man nach der hunger­stil­len­den Notwendigkeit nach einer neuen Form des Über­flusses suchen? Und kommt dann die Ver­pack­ung oder die Moleku­larküche oder ein anderer Mist? 

Das ist halt so mit Roland Ney­er­lin: Er stellt immer so Fragen und dann kommt man sich danach so saublöd vor. Philosophen und Fleis­chkäse. Gütiger Himmel!

Natür­lich braucht es die Knus­per­haube nicht und die karamel­lisierten Zwiebeln sind ja auch nur Fir­lefanz. Eigentlich hätte ich ja wissen müssen, dass man nie eingepackte Vik­tu­alien verzehren sollte. Spätestens seit damals, als mir ein lei­den­schaftlicher Koch“einen Schinkenkäse­toast vorge­setzt hat und die Folie um den Scheiblet­tenkäse war noch hal­bgeschmolzen dran. 

Einem Philosophen würden nie solche pein­lichen Ober­fläch­lichkeiten passieren. Er denkt immer zum Kern der Sache und über das Wesen des Dinges nach . Auch – oder erst recht – wenn es um etwas so alltäglich Seien­dem geht wie Fleis­chkäse. Also über die Fleis­chkäsigkeit des Fleis­chkäses. Denn es steckt viel mehr in dieser Brüh­wurst als nur Brät und Gewürze. Für Roland Ney­er­lin ist Fleis­chkäse Lei­den­schaft und Erin­nerung in Pasteten­form. Kalt aufgeschnit­ten mit frischge­back­enem Brot vom Gross­vater und Senf, ange­braten mit Spiegelei und Spinat oder gar­niert mit Vorhal­tun­gen und Erziehungsver­suchen: In der Wahrnehmung von Roland Ney­er­lin steht Fleis­chkäse für Geduld, Gespräch und Genuss. Und für Ehrlichkeit, Beschei­den­heit und Wahrhaftigkeit. 

Darf man ein so echtes Geschenk wirk­lich ein­packen?

Text: Armin Meien­berg