„Ich bremse auch für Tiere!“ Früher sah man solche Kleber noch häufig auf dem Hinterteil eines Autos kleben. Die Botschaft war klar: „Hier fährt ein Tierfreund! Sei vorsichtig und halte Abstand!“ Aber wo sind die Tierschützer heute? Jetzt, wenn sie dringend gebraucht werden, zum Beispiel vom Thunfisch.
Der Tuna hat ein grosses Problem: Er ist zu unkompliziert. Alles was unkompliziert ist, ist allgemeinverträglich und somit tauglich für die breite Masse. Und von der breiten Masse geliebt zu werden, ist das Schlimmste, was einem passieren kann: Es bringt einen um. Geliebt wird der Thunfisch dafür, dass er keine Gräten hat, dass er nicht nach Fisch schmeckt und dafür, dass ihn jeder Dödel zubereiten kann. Nichts ist einfacher als ein Thunfischsteak anzubraten. Brät man es zu kurz, serviert man es als Shushivariation, brät man es zu lange, ist das kein Unglück, sondern ein Siedfleischersatz. Roh essen kann man den Fisch auch als Shushi, Sashimi oder Tartar. Carpaccio geht auch und schmeckt fein mit Zitronengrasvinaigrette (Zitronengras ist der Schnittlauch der Jamie-Oliver-Generation.). Schmoren oder Räuchern, mit dem Thun kann man machen, was man will und das haben die Leute gern. Der gutmütige Kerl wird ausgefischt, die breite Masse macht ihn fertig.
Für den Thunfisch gibt es nur eine Rettung: Jagd- und Verzehrverteilung auf einen anderen Fangfisch. Der einzige mögliche Kandidat für diesen undankbaren Posten heisst Barramundi. Dieser Riesenbarsch hat den gleichen Fehler wie der Tuna: Er ist in der Zubereitung genau so anspruchslos und dödelsicher. Und er hat einen Namen, wie ein kubanisches Rumgemix. Keine Frage, Barramundi wird der neue Trendfisch werden!
Das prophezeien auch die beiden Fischspezialisten Uwe Heidtfeld und Rolf Werthmüller von Sebastian’s. Erst seit zwei Jahren haben sie den schmackhaften Stachelflosser in ihrem Angebot. „Der Barramundi schmeckt hervorragend, fast wie ein Loup de mer. Sein Fleisch ist fest und weiss und meine Gäste schätzen ihn, weil er keine Gräten hat!“, schwärmt Uwe Heidtfeld. In Australien wird der Barramundi auch „König der Fische“ genannt. Er sieht aber eher aus wie der Glöckner von Notre Dame. Für die breite Masse wird er deshalb filetiert und dann macht er durchaus was her. Uwe Heidtfeld brät ihn kurz an und bettet ihn dann auf einen Mango-Chilli-Saucenspiegel. Das schmeckt wirklich königlich. Pochieren, Schmoren und Räuchern passt auch: Was für ein omnipotenter Teufelskerl! Das wird er kaum überleben.
Die alleinige Verantwortung für die Rettung des Thuns kann er aber nicht auf seinem hässlichen Buckel tragen. Die Unterstützung der breiten Masse braucht er sicher. Dafür gibt es auch schon sichtbare Zeichen. Ein paar Autos fahren bereits mit einem Kleber auf dem Heck herum, der aussieht wie ein stilisierter Tuna. „Ich bremse auch für Thunfisch!“?
Text: Armin Meienberg