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Zwis­chen den let­zten Tönen des Sax­ophons im Jaz­zcafe“ und dem Rührei im Kaf­fee­haus“ gibt es eine kleine Fuge zwis­chen Abend­land und Mor­gen­land. Das ist diese Stunde, wenn Istan­bul nicht nach Abgas oder Kebab riecht, son­dern nach Zitrone. Von Tausenden von frischrasierten Män­ner­backen steigt eine Duft­wolke von Duru kolonya 80° limon“ auf.

Duru“ ist nicht ein­fach ein Rasier­wasser. Es ist ein Aller­welts-Heilmit­tel, der Kloster­fraumelis­sen­geist der Türkei. Wenn der Mann nach einer Nacht in den Raki-Kneipen und Jaz­zclubs von Beyo­glu“ Pflege und Zuwen­dung braucht, dann geht er zum Kuaför“. Rasieren ist in der Türkei ein Ereig­nis, um das uns die Frauen benei­den. Entspannt sitzt du eingeschaumt unter dem Atatürk­porträt und über­lässt dich dem Messer. Das Sch­aben über die Bart­stop­peln erin­nert an das Geräusch von zer­reis­sender Seide. Sonst hörst du nur noch das Schnur­ren der Katze und das leise Klin­geln der Löffel in den Teegläsern.

Aufre­gend wird es, wenn der Kuaför mit einer Zange einen in Alko­hol getränk­ten Wat­te­bausch entzün­det und sich damit deinen Ohren nähert, um dort die kleinen Härchen abzusen­gen. Das ist der Moment, wo du sicher­heit­shal­ber die getrunk­e­nen Rakis der let­zten Nacht zusam­men­zählen soll­test, um die Explo­sion­s­ge­fahr einzuschätzen. Danach werden Kopf, Nacken, Rücken, Arme bis zu den Fin­ger­spitzen durch­massiert, und als Höhep­unkt wirst du mit einem Schuss aus der Duru“-Plastikflasche begossen.

Eline saglik!“– Deine Hand soll geseg­net sein!“. Jetzt bist du bereit für den Gang zum Iskembe çor­ba­sici“, um den let­zten Rest der Nacht zu vertreiben. Diese Sup­pen­stube ist die Inten­sivs­ta­tion für Nachtschwärmer und hat 24 Stun­den geöffnet. Iskembe çor­basi“ ist eine leicht saure Kut­tel­suppe. Sie vertreibt zuver­läs­sig den Kater und erweckt die Lebens­geis­ter. Was ist das Geheim­nis? Zitro­nen­saft“ sagt der Koch und giesst ein biss­chen aus einer grünen Plas­tik­flasche in die Suppe. Duru kolonya 80° limon? Eline saglik!“

NZZ am Son­ntag, Juni 2005
Text: Armin Meien­berg
Bild: Renato Regli