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Trotz dem hohen Stand der Tech­nik und der Ratio­nal­isierung im Arbeit­sprozess haben sich bis heute in manchen Berufen Sitten und Bräuche erhal­ten, die aus der Blütezeit der Zünfte stam­men und oft, allerd­ings in entarteter Form, sich bis in die Neuzeit behaupteten.

Zu diesen Berufs­bräuchen gehört auch das Gautschen – die Buch­druck­er­taufe. Schon die Beze­ich­nung «Gautschen» weist auf alten Ursprung hin und stammt eigentlich aus einem dem Buch­druck nah­este­hen­den Gewerbe, der Papier­her­stel­lung. Das Pressen der mit dem Sieb aus den Bütten geschöpften Papier­masse zur Her­stel­lung des alten Büt­ten­pa­piers nannte man «gautschen». Und da bei der Buch­druck­er­taufe der Kornut – wie der junge Buch­drucker nach der Lehrab­schluss-Prü­fung bis zur Pos­tu­lats­feier (Auf­nahme in den Gehil­fen­stand) genannt wurde – sich einer ähn­lichen Proze­dur mit Nässen und Pressen unterziehen musste, erhielt dieser Brauch die gle­iche Beze­ich­nung: Gautschen. 

Man hat den Buch­druck­ern seit jeher nachge­sagt, dass sie ein vor­bildlich geord­netes Lehrlingswe­sen pfle­gen und sich stets um die beru­fliche Bil­dung des Nach­wuch­ses bemühen. Es ist anzunehmen, dass Guten­berg und seine Nach­fol­ger, die in der Hochblüte des Zun­ftwe­sens die ersten Druck­ereien grün­de­ten, sich bald wie die anderen Zünfte zusam­men­schlossen und sich mit ihren Gesellen Satzun­gen unter­stell­ten, wie dies ehe­mals, beson­ders im 15. und 16. Jahrhun­dert, all­ge­mein üblich war.

Der junge Geselle, der seine auf bes­timmte Zeit fest­gelegte Lehrzeit been­dete, erhielt gewöhn­lich in jeder Zunft von seinem Lehrmeis­ter nach bestandener Prü­fung den Los- oder Freis­pruch, nebst dem Lehrbrief, worauf er ihn vor ver­sam­melter Zunft zur Auf­nahme in den Gesel­len­stand vorschlug. Gewöhn­lich wurde er auch von Alt­ge­sellen auf den «Schild erhoben», das heisst zur Auf­nahme in die Zunft emp­fohlen. Dass nach der in feier­lichem Zer­e­moniell durchge­führten Auf­nahme in die Zunft auf der Zun­ft­stube ein fröh­licher Trunk stat­tfand, bei dem oft mutwillige Spässe getrieben wurden, war nicht zu ver­ar­gen.

Weniger erfreulich waren dann die Auswüchse, die mit der Zeit son­der­bare Blüten trieben und das Gautschen in Verruf brachten. Manchenorts fand man es nicht genug, den Kor­nuten (Gäutschling) zu «nässen» und mit Wasser zu übergiessen; die Gehil­fen nahmen oft klein­liche Rache für ihren Ärger über den Lehrling und liessen ihn seine «Verge­hen» während der Lehrzeit bitter büssen. Dabei blieb es nicht nur bei Schlä­gen und Ohrfeigen, vere­inzelt wurden ihm sogar Zähne aus­geris­sen oder eingeschla­gen, so dass die von den oft betrunk­e­nen Gehil­fen dem Kor­nuten aufer­legte Strafe oder Busse zur Tortur wurde. Das war vie­lenorts der Grund für die Behören, – das Gautschen, diese nun entartete Buch­druck­er­taufe, – im 18. und 19. Jahrhun­dert, vor allem in Deutsch­land, wo der Brauch ent­stand und gepflegt wurde, ein­fach zu ver­bi­eten.

Mit solcher Entar­tung und Ver­ro­hung hatte zwar der Brauch seinen Sinn ver­loren; aber mit Ver­boten schüt­tete man das Kind mit­samt dem Bade aus. Da dem Gautschen doch ein tief­erer Sinn innewohnt, war dieser Brauch nie ganz auszurot­ten. Immer wieder durchge­führt, wurde er bis heute, – wenn auch als Rudi­ment, indem man den Kor­nuten nur in den Brun­nen wirft, – erhal­ten. Dabei berufen sich noch viele Gautschbriefe auf die Rechte und Priv­i­legien, die Friedrich III. den Buch­druck­ern im Heili­gen Römis­chen Reiche bewil­ligte. So war ihnen auch erlaubt, Schw­ert oder Degen zu tragen, was sonst nur den höhern Stän­den, dem Adel und den freien Bürg­ern ges­tat­tet war. Der Umgang mit den Gebilde­ten, deren Büch­ern und Schriften sie druck­ten, muss den Buch­druck­ern zu ihrem Beruf­sstolz und Standes­be­wusst­sein ver­holfen haben.

So dürften schon zur Zeit der ersten Druck­ereien die Jünger Guten­bergs aus ihrem Selb­st­be­wusst­sein, durch Ausüben der «Schwarzen Kunst» einem gehobeneren Handw­erks­stande anzuge­hören, ihren eige­nen Ritus und Brauch zur Auf­nahme in die Zunft erdacht und durchge­führt haben, eben das «Gautschen».
Dass die Buch­druck­er­traufe über­all als Berufs­brauch bekannt war und noch ist, bis zur teil­weisen Entar­tung in der Neuzeit, und auch heute noch nach ähn­lichem Zer­e­moniell mit Aushändi­gung des «Gautschbriefes» vorgenom­men wird, zeugt dafür, dass er aus der Anfangs- und Entwick­lungszeit des Buch­drucks stam­men muss, weil diese Riten und Bräuche zur Hochblüte der Zünfte in allen Handw­erks-Innun­gen üblich waren. Nur das Nässen mit dem Schwamm und der Wasser­guss blieb den Buch­druck­ern vor­be­hal­ten, was in Verbindung gebracht wird mit deren Ver­wen­dung zum Anfeuchten des Satzes und zur Befeuch­tung der Papier­bo­gen vor dem Druck von Abzü­gen Johann-Georg Drull­mann. Im Jahr Christi 1677.Auch die Beze­ich­nung «Cornut» für den «Gäutschling» weist in jene alte Zeit zurück, da das Latein in den obern Schichten des Volkes ziem­lich geläu­fig war. «Cornut» ( von cornu = Horn) heisst der «Gehörnte». Die Aus­deu­tung dieser Beze­ich­nung wird ver­ständlich aus einem Spiel über das Gautschen aus dem 17. Jahrhun­dert, das in bom­bastis­cher Art des Barocks und mit­tels vieler alle­gorischer Fig­uren diesem alten Brauche gewid­met ist und dahin geht, dass der Kornut nun seine durch Bock­beinigkeit und Seit­en­sprünge erwor­be­nen «Hörner» abstossen und ohne solche in den Gehil­fe­s­tand treten solle.

Zur Charak­ter­isierung der lan­gat­mi­gen Form dieses alten Gautschspieles sei hier nur der Titel zitiert: «Depos­ito Cor­nuti Typo­graphici. Das ist: Lust – oder Freuden­spiel, welches bey Annehmung und Beste­ti­gung eines Jungen Gesellen, der die Edle Kunst der Buch­druck­erey redlich hat auss­gel­er­net, ohne einige Ärg­ernüsse kan fürgestel­let, ver­mit­tels, welches auch künfftiger Zeit, junge ange­hende Per­so­nen, nach Ver­flies­sung ihrer Lehr-Jahre, zu Buch­drucker-Gesellen können ernen­net, bestetiget, an- und auf­fgenom­men werden. Auff fre­undliches Ansuchen und son­der­bares Begehren, wie denn auch der Hoch- und Weit­gerühmten Buch­drucker-Kunst zu unvergänglichen Ehren, wolmeinentlich abge­fas­set von Johann Rist. Zum ersten­mal gedruckt in Lüneb­urg. Anjetzo aber zu der Nieder­säch­sis­chen Rede die Hoch-Teutsche anbey gesetzt; und mit schö­nen Liedern ver­mehret, und also wiederumb zum Druck befördert. Franck­furt am Mayn Druckts.

Da in diesem Titel bere­its auf ein vorher her­aus­gegebenes Gautschspiel hingewiesen wird, kann man füglich annehmen, dass zu früheren Zeiten viel Wert auf das Gautschen gelegt wurde und dass dieser Brauch Anlass zu grössern Fes­t­feiern wurde.
Diese Gautschfeiern wurden an einzel­nen Orten, beson­ders in der Barockzeit, wo man all­ge­mein zu grossem Aufwand hin­neigte, wo kost­spielig, dass die Betrof­fe­nen in Schulden geri­eten, von denen sie sich kaum mehr erholten. Aus diesem Grunde wurde auch in Öster­re­ich das Gautschen von ver­schiede­nen Fürsten ver­boten.
Unsere heutige Gen­er­a­tion findet keinen Gefallen mehr an solchem barockem Schwulst und wirft den Kor­nuten meis­tens ohne lange Reden beim Gautschen ein­fach in den näch­sten Brun­nen, drückt ihm nach­her beim Gautschtrunk, wenn‘s gut geht, den Gautschbrief in die Hand, damit er bei Antritt einer neuen Kon­di­tion nicht nochmals die gle­iche Proze­dur über sich erge­hen lassen muss. Sach­lichkeit in Ehren! Aber auf diese Art hat die Buch­druck­er­taufe viel von ihrem sin­nvollen Zer­e­moniell ver­loren. Drum ist es erfreulich, dass in den let­zten Jahren in der Buch­druck­erkreisen das Gautschen in der tra­di­tionellen Form wieder mehr zu Ehren kommt. Sein Sinn ist vor allem die Hebung der Berufs­fre­unde und der Beruf­sehre, des Bewusst­seins, einem alten, ange­se­henen Beruf­s­stande, der «Schwarzen Kunst» anzuge­hören, was zu Beruf­stüchtigkeit verpflichtet.
«Gott grüss‘ die Kunst!»

Nach «Gott grüss die Kunst» von Alois Meyen­berg

Text: Armin Meien­berg