Fotograf schwebt in der Beliebtheitsskala der Traumberufe meistens kurz hinter Millionär, Pferdedompteurin oder Whistleblower. Darum müsste Renato Regli eigentlich ein fröhlicher und glücklicher Mensch sein. Das ist er auch meistens. Dann, wenn er Grafiker ist. Oder Töfffahrer. Aber weil er auch ein verdammt guter Fotograf ist, muss er auch mürrisch sein, garstig und maulend. Griesgrämig sein zu dürfen ist das gesellschaftlich akzeptierte Vorrecht von Charcuterieverkäuferinnen und Fotografen. Also am Mürrischsein erkennt man den wahren Fotofachmann: Je negativer die Lebenseinstellung, desto positiver das von ihm geschossene Bild. Der Fotograf ist kein Freund der Welt, so wie sie ist. Darum versucht er immer die Wirklichkeit ins rechte Licht zu rücken. Aber die Realität ist leider hartnäckiger als er. Das ist frustrierend. Verständlich. Darum versuchen wir Renato ständig mit originellen Fotoaufträgen aufzuheitern. Aber unser guter Wille wird bei jedem Versuch mit einem feindseligen Knurren beantwortet: Das sei aufwendig. Da stimme das Licht nicht. Das sei eine schlichte Zumutung. Und überhaupt. Fotografen, also wirklich!
Dabei geben wir uns so viel Mühe um Renato bei guter Laune zu halten. Da durfte er doch für eine Übersichtsfoto von der Allmendbaustelle bei Windstärke 7 auf einen 30 Meter hohen Baukran steigen. Dafür würden wir doch alle stundenlang Schlange stehen. Und dieser undankbare Kerl hat uns eine SMS gesendet, die ich nicht getraue hier zu veröffentlichen.
Oder als wir damals bei ihm für die Artenschutzausstellung fürs Zollmuseum in Gandria eine Nahaufnahme einer Schwarzen Mamba oder einer Taipan bestellt haben. Was aber hat Renato, der Wagemutige abgelichtet? Eine sattgefressene altersschwache Stubenpython! Und dann beklagen sich unsere Kunden immer über die teuren Rechnungen von uns Textern, weil wir ständig die Bildlegenden neu anpassen müssen.
Nur einmal habe ich Renato bei der Ausübung seines Jobs ausgelassen erlebt. Das war bei dieser Reportage über die Schweizer Grenzwächter. Bei einer mobilen Personenkontrolle im Jura. Da fuhren diese Naherholungs-Rambos doch tatsächlich mit ihrem eigenen Fahrzeug über ihre eigene Nagelsperre. Davon gibts leider keine Fotos. Da sieht man es mal wieder: Kaum wird die Wirklichkeit real, windet sich der Fotograf vor Lachen auf dem Boden. Wahrscheinlich verpassen wir so die besten Bilder in unserem Leben.
Kürzlich haben wir Asphalt-Renato zur Selbstentfaltung und Rückbesinnung auf das Wesentliche in die Natur geschickt. Zu vielversprechenden “Sagenhafte Orte”. Was für ein Auftrag! Quasi Ferien während der Arbeitszeit: Wandern, Landjäger, Blasenpflaster, Aussichtsföteli. Und wieder konnten wir es ihm nicht recht machen. Aber was können wir dafür, dass alle sagenhaften Orte über der Baumgrenze liegen? Und wer soll schuld sein, wenn sich GPS-Regli in einem Mobilnetz-Loch am Pilatus verirrt? Als er endlich um Mitternacht aus dem Gebirge zurückkehrte war er miesepetriger drauf als der Pilatusgeist. Die Fotos aber waren sensationell.
Wir werden ständig darauf aufmerksam gemacht, dass wir noch kein Foto von uns auf unseren Websites hätten. Dabei hätten wir ja einen Spitzenfotografen hier im Team. Das ist richtig, aber noch zu früh. Wir arbeiten daran. Renatos Felchlin-Schokoladenvorrat haben wir schon heimlich konfisziert. Seine Draftbiersammlung im Kühlschrank ausgeleert. Die Kuscheljazz-Playlists vom I-tunes-Server gelöscht. Einen Regenmacher haben wir auch engagiert. Und nächstens schieben wir noch seinen geliebten Töff in die Reuss. Und dann, erst dann, wenn er so richtig mürrisch, grantig, unausstehlich ist, bestellen wir bei ihm ein schickes Gruppenfoto von uns.
Text: Armin Meienberg