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Danke, lieber Jamie Oliver! Dank dir und den anderen Kochclowns im Fernse­hen muss man sich wenig­stens nicht mehr schä­men, kochen zu können.

Vor weni­gen Jahren hiess es noch: «Was? Du kochst selber? Also ich nutze meine Zeit für Gescheit­eres!» Aber dann bist du und deine Kom­pagnons auf dem Bild­schirm aufge­taucht und habt pfan­nen­schep­pernd und löf­felschwin­gend verkün­det: «Kochen ist geil!» Ganz ein­fach. Und je sim­pler die Botschaft, desto grösser die Anhänger­schaft. Sei­ther haben wir das The­ater. Ob Promi, Poli­tiker oder Fuss­baller: Wer nicht gerade sein Kochbuch her­aus­gibt, lässt sich mit Kochschürze oder beim Brokkolis­chnei­den grin­send ablichten. Mit anderen Worten: Der Kochwahnsinn ist aus­ge­brochen. Sig­nalflagge der zeit­geisti­gen Kochge­sellschaft ist die Kochschürze. Nicht nur die Kochsendun­gen im Fernse­hen und die Kochbuchrei­hen im Büchergestell werden länger und länger, nein, auch die Schürzen. Bis zu den Knöcheln müssen sie reichen, was dazu geführt hat, dass die Hob­byköche nun wie Huf­schmiede beschürzt um den Herd herum­lungern. Was min­destens so affig und deplaziert auss­chaut wie die kampf­beanzugten Fis­cher auf der Geiss­mat­tbrücke.

Dabei gilt: Je kürzer die Schürze, desto grösser der Koch. Matteo Laf­fran­chis Kochschürze reicht ihm knapp bis zu den Knien. Und gemessen an seinen Kochkün­sten müsste sie noch um einiges kürzer sein. Laf­franchi ist das Gegen­teil eines Jamie Oliv­ers: beschei­den, zurück­hal­tend, leise. Wenn Jamie der Pfau am Herd ist, verkör­pert Matteo die Eidechse in der Küche. So schnell und unschein­bar arbeitet er. Am lieb­sten ohne Zuschauer und Öffentlichkeit. Es ist ihm schon ein Zuviel an Aufmerk­samkeit, wenn man ihm nur kurz über die Schul­ter guckt. Schon hat er sich vor Aufre­gung in den Finger geschnit­ten: «Chasch halt ned schnorre und schaffe!» Der Restau­ra­tor arbeitet am lieb­sten allein und im Hin­ter­grund. So unaufgeregt seine Arbeitsweise ist, umso spek­takulärer ist das, was danach auf den Teller kommt. Der Tessiner hat sich das Kochen selbst beige­bracht. Er ist ein Kein­fernsehkoch. Statt stun­den­lang in den Bild­schirm zu glotzen, beobachtet er lieber das Lamm im Ofen und kocht lei­den­schaftlich gern für seine Fre­unde: Drei satt statt 3 SAT.

Am kuli­nar­ischen Fir­ma­ment ist Matteo Laf­fran­chis Sternze­ichen tat­säch­lich die Eidechse, es ist eins der eher unschein­bar­eren. Es besteht aus einer Kette lichtschwacher Sterne, von denen nur ein einziger heller als die vierte Grössen­klasse ist. Durch den nördlichen Teil der Eidechse zieht sich übri­gens die Milch­strasse – ein schönes Stern­bild für einen heim­lifeis­sen Dreis­terne-Koch!

Text: Armin Meien­berg