Kinder sind furchtbare Esser. Sie sind heikel, masslos, tämpelig und meistens endet die Mahlzeit in einer heillosen Sauerei.
Die meisten Eltern getrauen sich darum gar nicht mehr mit ihrer Brut ins Restaurant zu gehen. Dabei ist es doch viel praktischer, wenn die Blagen ihre Sirupgläser am Wirtshaustisch umkippen als übers neue Tischtuch im trauten Wohnzimmer. Einige übermotivierte Eltern versuchen ihren Schätzlis tatsächlich Tischmanieren beizubringen, anständig essen mit Hilfe unter den Achselhöhlen eingeklemmten Serviettenringen zum Beispiel. Das endet oft tragisch damit, dass der geschädigte Nachwuchs später Messerbänkli und Fingerbowle auftischt. Gütiger Himmel! Dann ist es doch viel besser, wenn die Fressmonster den Mund am Tischtuchzipfel abwischen. Kinder sind furchtbare Esser. Aber grossartige Köche. Wenn man sie denn machen lässt!
Kochen beginnt beim Einkaufen. Die zehnjährige Una Schmid wuselt zielsicher und emsig wie ein Wespi um die Gemüserayons. Ihr schwarzweissgestreiftes T-Shirt flimmert hier und flackert dort auf. «Pack das ein! Hol das dort runter! Von dem noch zwei Stück!» Uff! «Heh! Du hast vergessen die Mangos abzuwägen!», wiehert das kleine Zebra. Ich vergesse zwar immer die Zwiebeln zu wägen, aber doch nicht die Mangos! «Meine Kleine, Mangos bezahlt man per Stück», steht mir die Kassiererin nett bei- Dafür kassiert sie einen giftigen Wespenblick. «Die kommt aber mal gut raus!», staunt die Verkäuferin und wirft mir einen barmherzigen Blick zu. Keine Sorge, ich geb die Kleine heute Abend wieder zurück.
Aber bis dahin ist noch lang und zuerst ist Kochzeit. Auch in der Küche geht Una mit der gleichen Ernsthaftigkeit zur Sache. Zuerst die Creme: «Du schälst die Mangos!» Sie schnappt sich den Mixer und schleudert Schlagrahm. Für eine Viertklässlerin hat Una ein grosses Wissen über Zutaten, und sie kennt alle Gewürze und viele Kochtricks. Wo hat sie das gelernt? «Im Kochkurs mit Monika Blättler und Nicole Vonarburg.» Und was hat sie dort sonst noch gelernt? Wie die Welt kocht! Türkische Pizza, thailändisches Curry und afrikanisches Huhn. Bunt mischt Una Kurkuma, Kreuzkümmel, Zimt, Koriander und Ingwer zusammen und färbt damit die Pouletbrüstli ein. Die werden unter Protestgemautze der Katze Coccolina zusammen mit Schalotten angebraten und mit Reis serviert. Una lässt sich nicht ablenken. «Die Katze ist eh zu dick, sie ist auf Diät.» Beleidigt erklimmt Coccolina den Katzenbaum. Nicht auf Diät ist Unas fünfjährige Schwester Alba. Stolz ist sie auf ihre grosse Kochschwester und sie verputzt eine ordentliche Portion Afrikahuhn. Wenns nach ihr ginge, dürfte Una jeden Abend kochen: «Aber fein muss es sein. Und ja nicht immer das Gleiche!»
Una ist nicht nur eine perfekte Einkäuferin und Köchin, sie ist auch in Sachen Ordentlichkeit ein Profi! Heinzelmännlimässig hat sie zwischen den Arbeitsgängen immer alles verräumt und die Arbeitsfläche und den Herd geputzt. Was heisst da geputzt? Poliert! Bescheiden nimmt Una die Komplimente von der ganzen Familie entgegen, ignoriert den bösen Blick der Katze und strahlt mit der blitzblanken Küche um die Wette. Eigentlich schade, dass ich die Kleine heute Abend wieder zurückgeben muss …
Text: Armin Meienberg