Wenn ich im nächsten Leben wiedergeboren werden sollte, dann aber bitte als Hausschwein. Und auch nur wenn ich mir aussuchen dürfte, wo mein Suhlloch gegraben wäre. Der einzige Ort der für mich in Frage kommen würde, wäre der Ueli-Hof. Der Begriff „sauwohl“ muss dort auf Mättiwil erfunden worden sein.
Vielleicht würde ich mich dort sogar daran gewöhnen mit dem Namen Romeo an den Futtertrog gerufen zu werden. Ich hätte dann einen Wellness-Schlammpfuhl mit Sicht auf Berge und Vierwaldstättersee. Rundherum saftige Blumenwiesen mit hüpfenden Lämmlein und kratzenden Bauernhühnern. Gleich um die Ecke wohnt mein Freund Amaro, der Stier, mit seinem Harem: Dreissig richtige Kühe und alle mit spitzen Hörnern! So wie es sich gehört und wie man es heutzutage nur noch selten sieht. Alle meine Ferkel rennen quietschend auf dem Rasen. Was für eine Idylle! Als Eber Romeo wäre ich ein Prachtskerl. Ich hätte eine saugute Figur: langer schwarzer Kopf, kurzer Hals, kurze Beine, mittelrahmiger Korpus, Stehohren und eine Schulterhöhe von 85 Zentimetern. Romeo ist ein selten schöner, echter Hampshire-Eber und das ist der George Clooney unter den Paarhufern. Wer würde da Nein zu einer Wiedergeburt sagen? Mein Futter wäre biofrisch und ausgewogen und basisch korrekt und ich dürfte ohne schlechtes Gewissen Monsterportionen davon verschlingen. Niemand würde sich an einem Gewichtszuwachs von 650 Gramm pro Tag stören. Im Gegenteil! Ueli Unternährer und seine Frau Lydia würden mir dankbar dafür die Borsten streicheln, mich zwischen den Ohren kraulen und mir eine lange Siesta im Schlamm gönnen. Was für ein Schweineleben! Frische Luft, Auslauf, gesundes Futter, Ruhe, Schlamm, Work-Life-Balance zu Ungunsten von Work und nicht zuletzt die sorgfältige Aufmerksamkeit von aufgeschlossenen, weltoffene Bauernfamilie, die so überhaupt nicht in unser gewohntes Landwirtschaftsbild passt: Was für eine fette Wertschöpfung! Und was für eine Aussicht: Nach vollendetem Leben als geräucherte oder gepöckelte Delikatesse im hofeigenen Laden in grosser Vielfalt angeboten zu werden, als Rauch- oder Wacholderschinken, Schindelwurst, Haussalami oder als Nusswurst. Oder im Gourmetrestaurant als Doppelkotelett post mortem noch Freude zu bereiten. Vielleicht sogar im Kulturzentrum „Südpol“ als Zvieriplättli seinen einzigen und letzten Auftritt vor begeistertem Publikum zu haben: Lieber nach dem Tod eine Wurst, als im Leben ein Würstchen.
Text: Armin Meienberg