Es war ein Freitag, als ich vor 17 Jahren zum ersten Mal mit meinem Freund Jost auf der Maur im „Wirtshaus Galliker“ sass. Jost ist ein kulinarischer Schadbär und gastronomischer Draufgänger.
Er kam mit dem Zug aus Basel und ich habe ihm den Weg zum „Galliker“ am Kasernenplatz erklärt. Völlig unnötig, denn Jost hat noch immer den Eingang zu einem Wirtshaus gefunden. Beim Ausgang wird’s dann manchmal schwieriger. Jost hat schon quer über die Kreuzung die Witterung aufgenommen: Der schwere Duft der Bratensauce, der jeweils Freitags aus Gallikers Küche schwadete. Mit der Präzision einer Lenkrakete steuerte der Vielfrass über die Kreuzung. Es habe in seinem Kleinhirn „geharft“, erklärte er selig. Jost hatte sein Lieblingslokal gefunden.
Der gespickte Rindsbraten im „Galliker“ ist tatsächlich ein Ereignis und das Schöne daran ist, dass es sich immer freitags in zuverlässiger Manier wiederholt. Das Fleisch ist immer butterzart und die Sauce ist der Rinderwahnsinn. Jeden Freitagmorgen röstet Benno Jud ein halbes Skelett Knochen an und konzentriert den Fond zu einer dickflüssigen Aromabombe. Mit dieser Sauce begossen, könnte man sogar Tomaten-Mozzarellasalat essen.
Jost Auf der Maur hat jetzt ein Buch geschrieben. Klar gehts ums Essen. Und das „Galliker“ kommt natürlich auch darin vor: „Männer müssen sich immer wieder auf die Schulter klopfen. Das taten wir am liebsten im „Wirtshaus Galliker“, einer Beiz wie handgemacht, mit treuen Serviererinnen und Rezepten aus der Geschichte von fünf Generationen. Mächtige geschmorte Rinderbraten an pastösen Weinsaucen, Pot au feu riche, Kutteln zart.“
Das Buch heisst „Geschmack der Liebe“. Zwölf wahre Geschichten mit zwölf Rezepten. Und zwölf Frauen und einem Jost, der einen grossen Geschmack an der Liebe hat. Leider hat er oder der Verlag nicht so guten Geschmack bei der Auswahl der Illustrationen bewiesen. Dafür ist das Buch süffig und mit pastöser Feder geschrieben, dicht und geschmacksicher wie die Sauce im Galliker. Die Rezepte sollte man unbedingt ausprobieren. Die Geschichten von und mit den zwölf Frauen eher nicht.
Am 30. September wird Jost wieder im „Wirtshaus Galliker“ sitzen. Es ist ein Donnerstag, dann gibt’s leider keinen Braten, sondern „Pot-au-feu“. Und einige Leckerbissen, vorgetragen vom Autor, dem man dann auf die Schulter klopfen kann. So machen das Männer im Galliker…
Text: Armin Meienberg
Jost auf der Mauer, Geschmack der Liebe. Echtzeit Verlag