Wohin? Spinnst Du? Was machst Du dort? Hast Du keine Angst? Solche Fragen höre ich immer vor der Abreise nach Tel Aviv. Tel Aviv klingt für viele nach Mutprobe und Selbstmordversuch.
Sicher, es gibt andere Orte für entspannte Städteferien: Brazzaville oder Port au Prince zum Beispiel. Aber seit ich in Tel Aviv nicht mehr Auto fahre, fühle ich mich dort sicherer. Die Tel Aviver wahrscheinlich auch.
Autofahren in Tel Aviv ist wirklich nichts für sensible Gemüter. Das Layout der Strassen lässt wenig städtebauliche Planung erkennen und nebst zahllosen Einbahnstrassen, teilweise nur in Hebräisch angeschrieben, sind freie Parkplätze in der Innenstadt meistens nur nach etlichen Warteschlaufen um den Block erhältlich. Oder wer wieder einmal spät in der Nacht nach Hause kommt – was in Tel Aviv öfters der Fall ist — sollte am besten gleich im Auto übernachten, damit er am Morgen das Auto vor der ersten Polizei-Patrouille in Sicherheit bringen kann. Parkbussen sind in Tel Aviv ein sehr lukratives Geschäft und allfällige Erfahrungen mit der Israelischen Bürokratie sollte man sich auf alle Fälle ersparen: Das Nervenkostüm geht dabei mit Bestimmheit in Fetzen. Wem das alles noch nicht reicht, dem gibt der agressive Fahrstil der Israelis noch den Rest.
Nach Tel Aviv will sowieso niemand. Und das ist auch gut so. Bleibt ruhig zu Hause, ich will nämlich Tel Aviv für mich alleine. Ganz ohne Touristen. Es gibt nicht viele Orte auf dieser Welt, die so frei von Tourismus sind wie Tel Aviv. Vielleicht noch das Sundgau. Die ganzen tollen Restaurants und die coolen Bars sind nur für mich da. Und die hübschen Sabras auch. Manchmal ist das Personal in den Lokalen sogar freundlich und wenn man Glück hat, ist das Essen erstaunlich gut. Zum Beispiel im Pasta Mia (Wilson St. 10) mit frischen, täglich in der eigenen Pasta-Manufaktur hergestellten Teigwaren, im Mika (Montifiorri St. 27) und auf dem Levinski Market mit seinen Gewürzen und Spezialitäten oder für den ganz süssen Zahn im Idelson 10 (Adresse dito), eine der besten Confiserien Tel Aviv’s. Aber das sind eben die Ausnahmen. Das einzige was durchgehend auf hohem Niveau ist, sind die Preise.
Tel Aviv lässt sich ideal zu Fuss erkunden. Grosse Teile des Rothschild, Sderot Nordau, Ben Yehuda oder Dizengoff Blvd. sind mit ausladenden Bäumen bedeckt, wo man angenehm und vorallem stressfrei im Schatten flanieren und die wunderbaren Bauhaus Bauten erkunden kann. Tel Aviv heisst auch “die weisse Stadt” treffender wäre heute allerdings “die grüne Stadt”, da die Häuser vom feucht-heissen Klima arg in Mitleidenschaft gezogen werden. Vom Klima hingegen profitieren die Pflanzen, aus jeder Ritze quillt das Grün, ganze Strassenzüge sind zum Teil völlig überwachsen und spenden bei 40 Grad uns Nordländern den lebensnotwendigen Schatten.
Damit, nebst den paar versprengten Touristen, vorallem die autofahrenden Tel Aviv’er auf den Geschmack resp. auf den Fuss kommen, wurde vom SPNI Tel Aviv (Society for Protection and Nature in Israel) eine “Foot Metro” Map erstellt. Die “Foot Metro” funktioniert wie ein Metro-Bahn Plan, Strassenecken sind “Stationen” und die farbigen Verbindungslinien zeigen mit Minutenangaben wie lange man zu Fuss z.B. vom Rabin Square bis zur Shenkin Street zu laufen hat (21 Minuten). (Die Shenkin Street ist die Einkaufsmeile für City Slickers)
Wie mir Momo Mahadav, Director, SPNI’s Tel Aviv Center for Environmental Action erzählt, war urspünglich ein Netz von Velowegen geplant. Die Stadtverwaltung hatte leider wenig übrig für die Pläne und hat das Budget soweit gekürzt, dass keine sinnvoille Umsetzung mehr möglich war. Was tun? Laufen natürlich. Um die Einwohner zu motivieren organisierte der SPNI kurzerhand ein Wettrennen. Je ein Teilnehmer war mit dem Auto, dem Fahrad, Bus und zu Fuss vom Rabin Square zur Shenkin Street unterwegs. Das Ergebnis war überraschend. Durch einen wirklich aussergewöhnlichen Zufall ergatterte der Autofahrer auf Anhieb einen Parkplatz und entschied das Rennen für sich. Die weiteren Teilnehmer trafen in der erwarteten Reihenfolge ein: Velo, Bus und Fussgänger. Erstaunlich aber war, dass alle mit wenigen Minuten Unterschied eintrafen. Momo erzählte mir das alles während wir gemütlich den Dizengoff Boulevard entlang spazierten, einen frischen Fruchtsaft schlürften und er mir unterwegs ein paar seiner Lieblingsplätze und Geschäfte zeigte:
Momo’s 5 Lieblingsplätze in Tel Aviv:
Meine Lieblingsplätze verrate ich hier nicht, damit Sie mir nicht auch noch auf Ideen kommen.
Text und Bild: Renato Regli