Gestalter sind pausenlos damit beschäftigt, mit Hilfe visueller Tricks von der eigene Fantasielosigkeit abzulenken. Wieso denn mühsam ein spannendes Konzept oder eine neue Idee kreieren, wenn man doch ganz einfach auf Blendwerk, Tand und Firlefanz zurückgreifen kann? Ich meine nicht das Ornament. Das ist schon zu kompliziert, verlangt nach Können und taugt nur um ETH-Architekten zu ärgern. Es sind kleine Dinge, die für die grosse Ideenlosigkeit der Grafiker hinhalten müssen.
Lange Zeit war die Pagina das Opfer, die Seitenzahl in einem Buch, einer Zeitung, eines Geschäftsberichts oder in einem Magazin. Im Kampf gegen die Bleiwüste auf einer Druckseite ist dem Kreativen jedes Mittel recht. Die Leser müssen ja schliesslich bei Laune gehalten und bespasst werden. Also ran an die langweilige Pagina! Man hat die Zahl in ein neckisches Kästlein oder Kringelchen gepackt. Oder sie umgekippt und den Seitenrand raufwandern lassen. Oder die Pagina wurde eingefärbt und man konnte so die Druckkosten verdoppeln. Über- und Unterstreichen waren auch immer dankbare Tricks. Hauptsache, die Seitenzahl, das unwichtigste Element auf einer Seite stach dem Betrachter ins Auge.
Gottlob wird auch den Gestaltern ihre eigenes Ideenfeuerwerk mit der Zeit langweilig. Auf der Suche nach neuem Spielzeug sind die Layouter wieder auf den Initial gestossen. Mit den Anfangsbuchstaben kann noch viel mehr Schabernack betrieben werden als mit der Seitenzahl. Immerhin hat das Verschnörkeln von Anfangsbuchstaben Tradition und hatte schon im Mittelalter Fröhlichkeit in die tristen Schreibstuben gebracht. Aber im Gegensatz zu den heutigen Art-Directoren, beherrschten die Mönche ihr Handwerk. Egal, wir werden auch die Initialitis überstehen. Aber was kommt bloss danach?
Text: Armin Meienberg