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Früher war das Schwein ein richtiges Ferkel. Das Borsten­vieh konnte jedoch nichts dafür, denn es war der Mensch, der es zur Sau gemacht hatte.

Schlechte Hal­tung und Füt­terung aus dem unsäglichen Schweinekü­bel sorgten dafür, dass aus dem Schwein kein Appetithap­pen mehr werden wollte. Im Gegen­teil. Aus kuli­nar­ischer Sicht war das Hauss­chwein erledigt, ein Gesund­heit­srisiko. Kein grosser Koch hätte sich noch getraut, den Müllschlucker auf vier Beinen auf den Teller zu brin­gen. Rind war edel, Schwein war eine Sauerei. Es fol­gten der Rinder­wahnsinn und der Auf­stieg des Geflügels zum Haupt­gang im Gourmet­menü. Doch dann kam die Vogel­grippe und das Schwein grun­zte sich wieder in Erin­nerung. Und jetzt, da wir sogar die Schweine­grippe über­lebt haben, dürfen wir gott­sei­dank wieder den ganzen Zoo essen. Von den Fröschen abge­se­hen natür­lich!

Heute heisst in der Gourmetküche das neue Rinder­filet Schweinebauch. Er ist das aktuelle Trend­stück in der Küche. Aus Schweinebauch macht man nor­maler­weise gepökel­ten oder geräucherten Speck. Spitzenköche zaubern heutzu­tage daraus hochkarätige Delikatessen. Kaum ein Sternekoch, der das spot­tbil­lige Schwarten­stück nicht auf seiner Karte führt. Ferran Adria ver­molekülisiert den Ranzen vom Schwarz­fusss­chwein, Harald Wohlfahrt lack­iert im Schwarzwald den Wanst vom Schwäbisch-Hal­lis­chen mit Tan­nen­honig und Witzig­mann karamel­lisiert den Frischspeck vom Schwal­ben­bauch­man­gal­iza mit Sojasauce und Ingwer. Und die ganze asi­atis­che Küche könnte ohne Schweinebauch sowieso zusam­men­packen. Schweinebauch ist ein Freuden­spender son­der­gle­ichen. Er ist nicht so eitel, lang­weilig und ete­petete wie Rind- oder Kalbfleisch. Er ist aus­dauernd, robust und unver­wüstlich. Und saufein! Und man kann mit ihm anstellen, was man will: kochen, stopfen, braten, pochieren, karamel­lisieren, kon­fieren und, wenn’s denn sein muss, sogar gril­lieren. Am ein­fach­sten lässt man den Schweinebauch beim Met­zger vaku­mieren (meines Wis­sens hat nur mein Ver­trauensmet­zger Erwin Schär an der Spi­tal­strasse Schweinebauch auf Lager). Dann steckt man das wasserdichte Geschenkpaket zusam­men mit dem Geschirr in die Spül­mas­chine. Nach einem oder zwei Waschgän­gen vor­sichtig aus­packen. Saft ein­fan­gen. Dann vom Bauch einen fin­gerdicken Streifen abschnei­den und zusam­men mit einer ange­drück­ten Knoblauchzehe und einem Thymi­an­büschel scharf anbraten. Salzen, pfef­fern, etwas Sojasauce ang­iessen, je ein Ess­löf­fel Honig und feinge­hack­ter Ingwer dazugeben, Saft aus der Spül­maschi­nen­garung dazugiessen und kurz karamel­lisieren lassen. Zwei Scheiben Sauerteig­brot toas­ten und mit süss-saurem Rotwein-Kori­nader-Zwiebelkon­fit bele­gen. Schweinebauch zwis­chen die Knus­per­scheiben packen und schon ist man dem Himmel ein saugutes Stück näher.

Text: Armin Meien­berg